In den alten Zeiten, als die Tiger kein Fleisch fraßen und sich von Insekten ernährten, wurden gar weite Landstriche von einer großen Trockenheit heimgesucht.
Auch im Dschungel siechte alles hin. Am meisten litt unter der Dürre der Büffel, ein großes und starkes Tier, das viel Grünfutter brauchte. Er wurde von Tag zu Tag schwächer, schleppte sich mit Mühe und Not an einen fast ausgetrockneten Fluss und sah dort höchst verwundert eine grüne Wiese, auf der Hirsche grasten. Die Hirsche erkannten sofort, dass der Büffel ihnen nichts anhaben konnte, und jagten ihn von der Wiese.
Da nahm der arme Büffel die letzten Kräfte zusammen und begab sich zum Tiger, dem Herrscher des Dschungels. Der lag im Schatten und schnappte nach umherfliegenden Heuschrecken.
Der Büffel trat vor ihn hin und sprach: „Herrscher des Dschungels, erlöse mich aus großer Not, befiehl den Hirschen am Flussufer, mich auf der grünen Wiese weiden zu lassen. Ich will mich dir dafür erkenntlich zeigen und wenn es nötig ist, Leib und Leben für dich hingeben!“
Der Tiger, dem der Büffel leid tat, ging mit ihm zur grünen Wiese.
Als die Hirsche des Herrschers ansichtig wurden, stoben sie auseinander und zogen sich zurück. Nun konnte der Büffel ungestört grasen.
Von Stund an hielten Büffel und Tiger wie Pech und Schwefel zusammen. Der Büffel brauchte keinen Gegner zu fürchten, wenn sich der Tiger in der Nähe aufhielt, und auch der Tiger kam auf seine Rechnung, denn der Büffel erdrückte, sich im Grase wälzend, haufenweise Heuschrecken und Grashüpfer. Weiterlesen
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Das krumme Knie des Bösen
Einmal hütete Gott Schafe und spielte auf einer Hirtenflöte. Der Böse aber hütete Ziegen und spielte auf einem Dudelsack. Der Böse wollte Gott die Schafe wegnehmen und sagte zu ihm:
»Verstecke du deine Flöte bei den Schafen und ich meinen Dudelsack bei den Ziegen. Finde ich aber deine Flöte, nehme ich dir die Schafe, findest du meinen Dudelsack, wirst du meine Ziegen nehmen!«
Gott versteckte seine Flöte in der Wolle eines Hammels. Der Böse steckte seinen Dudelsack einer Ziege unter ihren Schwanz. Die Schafe gingen an dem Bösen vorüber, und der suchte die Flöte. Es waren alle Schafe vorübergegangen, und er hatte sie nicht finden können. Dann gingen die Ziegen an Gott vorüber, und als die Ziege, die unter ihrem Schwanz den Dudelsack trug, herankam, hustete sie, und der Dudelsack fiel herunter. Da blieb der Böse ohne Ziegen, Gott aber nahm die Ziegen und die Schafe. Das ärgerte den Bösen sehr, denn er war nun ohne Hab und Gut. Da beschloss er, den Wolf zu schaffen, damit der Gottes Schafe und Ziegen fresse, dass dieser ohne Herde bliebe. Er machte aus Holz einen Wolf, konnte ihm aber kein Leben geben, deshalb bat er Gott und sagte: »Du nahmst mir meine Ziegen, gib dafür dem Wolf, den ich aus Holz machte, Leben.«
Gott wusste, wozu der Böse ihn machte; darum sagte er zu ihm:
»Geh‘ und sage zu deinem Holzwolf: Steh‘ auf und friss den Bösen – dann wird er lebendig.« Weiterlesen
Ein gerechter Lohn
Das ist wer weiß wie lange her.
Eines Hochsommers, als große Hitze und Dürre herrschten, verirrte sich ein Krokodil auf der Suche nach Wasser in der endlos weiten Wüste.
Über kurz oder lang kam ein Kaufmann geritten, dem rief es zu: „Gelobt sei Allah! Bruderherz, ich verschmachte! Bringst du mich an einen Fluss, will ich dir’s entgelten. Beim Bart des Propheten, ich zahle dafür jeden Preis!“
„Nun gut, ich schaffe dich hin, nur sollst du mir dein Wort geben, die Gegend, in die ich dich bringe, sogleich wieder zu verlassen und nie mehr Menschen zu fressen!“
Das Krokodil versprach es ihm hoch und heilig. Der Kaufmann band das Krokodil an dem Sattel des Kamels fest und setzte seinen Weg durch die Wüste fort. Am Fluss angekommen, ließ er es in den Uferschlamm gleiten. Es kroch ins Wasser, erholte sich und sann nur noch darauf, wie es das Kamel verschlingen könnte. Als das Kamel trinken wollte, schwamm das Krokodil an es heran und riss den Rachen weit auf.
Da rief der Kaufmann voller Zorn und Gram, selbst das Unglück verschuldet zu haben: „Ich plagte mich ab, dich vom Tode zu erretten, und du willst mir die Mühe mit Undank vergelten!“ Weiterlesen
Das beste Meisterstück
Es lebte einmal ein Zar, der hielt sich viele Bediente und Handwerker.
Eines Tages entbrannte vor den Gemächern des Zaren ein Streit zwischen dem Goldschmied und dem Tischler, wer von beiden sein Handwerk besser ausübe. Der Zar, der das hörte, entschied: „Ich gebe euch drei Wochen Zeit. Ihr sollt beide euer Meisterstück machen, der eine aus Gold, der andere aus Holz. Dann wollen wir sehen, wer von euch sein Handwerk besser versteht.“
Als die drei Wochen um waren, kamen beide ins Schloß, und jeder trug ein Bündel mit sich.
Als erster trat der Goldschmied vor den Zaren, bat ihn, ein großes Faß Wasser herbeischaffen zu lassen, schnürte darauf sein Bündel auf, holte eine goldene Ente hervor und setzte sie aufs Wasser. Die Ente schwamm hin und her, als wäre sie lebendig, wackelte mit dem Kopf und schnatterte in einem fort.
Der Zar riss Mund und Augen auf, und auch der Hof wunderte sich über die Maßen. „Ist das ein Meisterstück!“
Darauf wandte sich der Zar an den Tischler, er solle nun seine Kunst unter Beweis stellen. Der Tischler verneigte sich und sprach: „Väterchen Zar, ich bitte dich, lass ein Fenster öffnen, damit ich dir beweise, was ich kann!“
Das Fenster ward geöffnet. Weiterlesen
Freiheit ist das höchste Gut
Es lebte in einem Khanat ein Mann, dem gebar die Frau einen Sohn.
Der Junge wuchs sehr schnell heran, wurde alsbald so groß und behend, dass der Vater ihm ein rotbraunes Fohlen schenkte, auf dem er in die Steppe hinausreiten konnte. Auch Bogen und Pfeile führte der Junge und erlegte so manchen Fuchs und Hasen.
Eines Tages kam der Khan durch die Gegend geritten und hörte die Leute reden: „Seht mal den Recken da, der hat nicht seinesgleichen! Ihn müsste man als Khan über das Volk einsetzen. Unser Herrscher gleicht einem übertränkten Pferd, fressen tut er viel, aber vor der Arbeit drückt er sich.“
Erzürnt beschloss der Khan, den Jungen aus der Welt zu schaffen. Er ließ ihn zu sich in seine Jurte führen und sprach: „Man munkelt, du seist der stärkste Mann im ganzen Khanat, und von deinem Reittier behaupten die Leute, es sei das feurigste hierzulande. Reite also gen Süden, wo Mangus, der zehnköpfige Menschenfresser haust, und bringe ihn vor meine Jurte!“ Weiterlesen
Die drei Lügner
Es waren einmal drei Freunde, die nur vom Lügen lebten. Einst beschlossen sie, einmal so gut und reichlich zu essen wie auf einem Gastmahl, aber alle drei hatten keinen roten Heller. Sie dachten nach und überlegten, wie sie ohne Geld zu einem guten Mittagessen kommen könnten. Schließlich ließen sie sich folgendes einfallen: Der eine sollte einen Fisch herbeischaffen, der zweite Fett und der dritte Brot.
Da ging der erste zu einem Fischer, kaufte für fünfundzwanzig Groschen einen Fisch aus Ochrid und bat ihn, seinen Gehilfen mit dem Fisch in das Haus des Arztes zu schicken, wo er ihm Geld und Botenlohn geben wolle.
Der Fischer gab ihm den Gehilfen mit, und als sie zu dem Haus des Arztes kamen, ging der Lügner zuerst hinein und sagte zu dem Arzt, dass er seinem Sohn ein Klistier geben solle, damit ihm etwas leichter werde, denn das Kind sei ganz wirr im Kopf und sage in einem fort: »Gib mir das Geld, treib keine Scherze mit mir, rede nicht so, denn es ist eine Schande.« Schon oft hatte es so verworren geredet. Nachdem man ihm aber ein Klistier gegeben hatte, sei es ihm immer gleich viel besser gegangen. Er würde auch bezahlen, was es koste, nur wolle er selbst nicht dabei sein, wenn er ihm das Klistier gebe, denn er habe großes Mitleid und könne das Weinen seines Sohnes nicht hören. Er würde bezahlen, was es koste, und sogar noch mehr. Weiterlesen