Das krumme Knie des Bösen

Einmal hütete Gott Schafe und spielte auf einer Hirtenflöte. Der Böse aber hütete Ziegen und spielte auf einem Dudel­sack. Der Böse wollte Gott die Schafe wegnehmen und sagte zu ihm:
»Verstecke du deine Flöte bei den Schafen und ich meinen Dudelsack bei den Ziegen. Finde ich aber deine Flöte, nehme ich dir die Schafe, findest du meinen Dudelsack, wirst du meine Ziegen nehmen!«

Gott versteckte seine Flöte in der Wolle eines Hammels. Der Böse steckte seinen Dudelsack einer Ziege unter ihren Schwanz. Die Schafe gingen an dem Bösen vorüber, und der suchte die Flöte. Es waren alle Schafe vorübergegangen, und er hatte sie nicht finden können. Dann gingen die Ziegen an Gott vorüber, und als die Ziege, die unter ihrem Schwanz den Dudelsack trug, herankam, hustete sie, und der Dudelsack fiel herunter. Da blieb der Böse ohne Ziegen, Gott aber nahm die Ziegen und die Schafe. Das ärgerte den Bösen sehr, denn er war nun ohne Hab und Gut. Da beschloss er, den Wolf zu schaffen, damit der Gottes Schafe und Ziegen fresse, dass dieser ohne Herde bliebe. Er machte aus Holz einen Wolf, konnte ihm aber kein Leben geben, deshalb bat er Gott und sagte: »Du nahmst mir meine Ziegen, gib dafür dem Wolf, den ich aus Holz machte, Leben.«

Gott wusste, wozu der Böse ihn machte; darum sagte er zu ihm:
»Geh‘ und sage zu deinem Holzwolf: Steh‘ auf und friss den Bösen – dann wird er lebendig.«Der Böse willigte ein und ging, um das dem Wolf zu sagen, doch da fiel ihm ein, dass er ja der Böse war und dass, sobald der Wolf lebendig würde, ihn fressen wird. Deshalb stieg er auf ein kleines Bäumchen und rief:
»Holzwolf, Gott sagt, du sollst aufstehen und den Bösen fressen!«

Da wurde der Wolf lebendig, und er stürzte sich auf den Bösen und packte ihn am rechten Knie. Der Wolf zerrte ihn herunter, der Böse zog sich nach oben, und als er sich losriss, stieg er wieder auf den Baum hinauf, aber der Wolf hatte seine Sehnen am rechten Knie durchgebissen. Und darum hat der Böse ein krummes Bein.

Deshalb fluchen die Leute auf das krumme Knie vom Bö­sen, und seitdem frisst der Wolf die Schafe und die Ziegen, aber auch seinen Meister, sobald er ihn am Kragen zu fassen kriegt. Der Böse streicht in der Nacht herum, aber auch der Wolf sieht in der Nacht und frisst den Bösen auf dem freien Feld, wenn kein Baum dasteht, auf den er sich retten kann.

Märchen aus Bulgarien