Der siebente Vater im Haus

Es war einmal ein Wanderer, der war schon lange unterwegs. Da kam er zu einem schönen großen Gutshof, so herrschaftlich, es hätte auch ein kleines Schloss sein können. „Hier lässt sich wohl gut Rast machen,“ dachte er, als er durchs Tor in den umzäunten Hof trat. Eben da stand ein graubärtiger Alter und hackte Holz. „Guten Abend, Vater“, sagte der Wanderer, „kann ich heut Nacht in Eurem Hause bleiben?“ – „Ich bin nicht der Hausvater hier“, sagte der Graubart, „geh in die Küche und sprich mit meinem Vater.“

Da ging der Wanderer in die Küche, und da traf er einen noch älteren Mann, der lag auf den Knien vor dem Herd und blies das Feuer an. – „Guten Abend, Vater“, sagte der Wanderer, „kann ich heut Nacht in Eurem Hause bleiben?“ – „Ich bin nicht der Hausvater hier“, sagte der Greis, „geh in die Stube und sprich mit meinem Vater; der sitzt da drinnen am Tisch.“ Weiterlesen

Mit der Laterne auf Freite

Also da war ein Bauernjunge, und der ging über den Scheunenhof und er hatte eine Stalllaterne und die hatte er angesteckt. Und als er durchs Tor ging, sah ihn der Bauer, wie er von einem der Gebäude kam, und er sagt zu ihm: „Wohin gehst du, Junge?“
„Na“, sagt er, „ich war auf der Freite, Bauer.“
„Auf der Freite“, sagt er, „mit einer Laterne?“ Er sagt: „Wie ich auf die Freite ging, hab ich nie eine Laterne genommen.“
„Nein“, sagt der Junge, „aber schaut nur, was Ihr gekriegt habt“, sagt er, „und ich will sehen, was ich bekomme.“

aus England

Der Wolf als Freier

Der Wolf als Freier

Der Hase schlug Haken um Haken im Heidekraut auf den Hügeln, hoppelte auch mir nichts, dir nichts ins grüne Tal hinab und stieß dort unvermutet auf eine Farm. Vor dem Haus sah er die schöne Farmerstochter umhergehen, fand an ihr Gefallen und schickte am nächsten Tag den Bären als Brautwerber hin.
„Den Hasen mag ich nicht“, entschied das Mädchen, „er hat keinen rechten Schwanz.“
Da tuschelten die Tiere im Walde miteinander von nichts anderem mehr, als dass der Hase einen Korb erhalten habe. Sein Schwanz sei nämlich zu kurz geraten. Das kam auch dem Wolf zu Ohren. „Vielleicht glückt’s mir“, dachte er, „ist doch mein Schwanz viel länger als der des Hasen!“ Und er schickte den Bären als Brautwerber auf die Farm.
„Den Wolf finde ich stattlicher als den Hasen“, sagte das Mädchen, als es erfahren hatte, wer um ihre Hand anhielt. „Ihn will ich gern zum Manne nehmen.“
Dem Wolf hüpfte das Herz vor Freude, als er das Jawort des Mädchens erhielt. Er lud alle Tiere zur Hochzeitsfeier ein, um damit zu prahlen, die schöne Farmerstochter zur Frau bekommen zu haben. Am Morgen des Hochzeitstages lief er zum Hasen und lud ihn zu der Feier ein.
„Es tut mir leid“, sprach der Hase, der sich krank stellte, „an der Lustbarkeit nicht teilnehmen zu können. Erst gestern war ich in einem Kohlgarten zum Schmaus, heute tut mir der Magen weh.“
„Ach was“, erwiderte der Wolf, „komm mir nicht mit faulen Ausreden! Wo finde ich noch einen, der so hopsen und hüpfen kann? Nein, ohne dich wird unser Fest nur halb so schön!“
„Ich halte mich kaum auf den Beinen“, klagte der Hase, „wie soll ich den Weg hin und zurück schaffen?“ Weiterlesen

Wer hat die Tauben gegessen?

Wer hat die Tauben gegessen?

Die Frau eines Schusters hatte zwei Tauben gebraten, eine für sich und eine für ihren Mann. Sie waren wunderbar goldgelb geraten. Da sie noch draußen zu tun hatte, stellte sie die Tauben auf den Backofen und ging hinaus.
Der Schuster nähte inzwischen. Ab und zu hob er die Nase und sog den lieblichen Duft in sich ein, der die ganze Stube erfüllte. Schließlich kitzelte ihn der Duft so stark in der Nase, dass ihn seine Naschhaftigkeit nicht länger auf seinem Schemel aushalten ließ. Kaum war die Frau zur Tür hinaus, sprang er von seinem Schemel auf und stand auch schon an der Pfanne. Bevor er jedoch nach einem Täubchen griff, lauschte er gespannt, ob seine Frau nicht noch im Flur sei, und zwar deshalb, weil er vor ihr Angst hatte. Das bestritt er zwar, aber es war so und nicht anders. Draußen war alles still, und der Schuster zog eine Taube aus der Röhre und aß sie auf. Ein Hungriger wird nur satt, wenn er isst, sagt ein altes Sprichwort. Der Schuster war naschhaft und hungrig, deshalb hatte er an einem Täubchen auch nicht genug; ohne lange zu überlegen, griff er nach dem zweiten und aß auch dieses ohne jegliche Gewissensbisse auf. Dann setzte er sich wieder auf seinen Dreifuß und nähte eifrig.
Die Frau kam in die Küche zurück, und weil gerade Mittag war, stellte sie die Teller auf den Tisch und trug die Suppe auf. Alles ging gut, doch als sie den Braten bringen wollte, brach aus heiterem Himmel ein Gewitter los. „Wer hat die Täubchen gegessen?“ lautete der erste Donnerschlag. Weiterlesen