Der Mann und die Schlange

Der Mann und die Schlange

Es war einmal ein Weinbauer, der besaß einen schönen Weinstock. Daneben lag ein Steinhaufen. Darin lebte eine große Schlange. Eines Tages sah der Weinbauer die Schlange und beschloss, ihr Gutes zu tun. Am nächsten Tag nahm er eine Schüssel frischer Milch, trug sie zum Weinstock, stellte sie neben den Steinhaufen und blieb in der Nähe, um zu sehen, was geschehen würde. Die Schlange kam heraus, trank die Milch und ließ in der Schüssel ein Goldstück zu­rück. Dann nahm der Weinbauer die Schüssel mit dem Goldstück und ging heim. Seit dieser Zeit brachte er der Schlange jeden Morgen Milch und bekam viele Jahre lang jedes Mal ein Goldstück. Weiterlesen

Sigo und die braune Bärin

Sigo und die braune Bärin

Es lebte einmal im Urwald weit im Norden ein Junge namens Sigo, dem der Vater gestorben war. Der Stiefvater, Schwarzes Horn genannt, führte eines Tages den Kleinen tief in den Wald und ließ ihn dort. Den frierenden, hungrigen Jungen fand die Braune Bärin, gab ihm einen Schwarzbeerenfladen und brachte ihn in ihr Lager.
Drei zottige Bärenjunge, die Söhne und das Töchterchen der Bärin, beschnupperten den Gast und legten sich vertraulich neben ihm nieder.
Sigo blieb bei der Bärenmutter und vergaß sein früheres Leben. Es schien ihm, dass er als Bärenjunges geboren sei.
Als der Frühling kam, ging die Braune Bärin mit“ ihren Kleinen an den nahen Fluss und fütterte sie mit Stinten. Sie watete in die Flut, setzte sich, fing die sil­brigen Fische und warf sie den Jungen am Ufer zu, damit diese sich den Bauch vollschlügen.
Plötzlich hob sie den Kopf und sog die Luft ein.
„Flieht, Kinder“, rief sie, „lauft, so schnell die Füße euch tragen, ins Lager zurück!“ Rief es und tappte auch selbst hinterdrein.
Im Lager fragte Sigo sie flüsternd: „Vor welchem Tier flohen wir denn?“ Weiterlesen

Die Glasaugen

Ein Bauer brachte einmal seine Steuern in die Kreisstadt. Der Schreiber nahm sie entgegen, sah in seinem Buche nach und sagte:
„Hier steht noch ein Rückstand von zehn Rubeln verzeichnet!“
„Ich hab aber längst alles bezahlt“, widersprach der Bauer.
„Das hast du nicht. Du bist noch etwas schuldig.“
„Nein, nichts bin ich schuldig.“
„Doch bist du es!“
„Nein, nichts bin ich schuldig!“
Da erkannte der Schreiber, dass er den Bauern diesmal nicht betrügen konnte. Um sich aus der Sache herauszuwinden, sagte er zu seinem Untergebenen:
„Gib mir mal die Brille!“ Setzte sie auf und sah noch einmal im Buche nach.
„Stimmt, du bist nichts schuldig.“
Da erwiderte der Bauer: „Gott möge den Glasaugen Gesundheit schenken und die Eurigen zerspringen lassen!“

Ukrainisches Märchen

Das Öchslein aus Stroh

Es waren einmal ein alter Mann und eine alte. Frau, die lebten in großer Armut. Der Mann arbeitete als Pechsieder in einer Pechsiederei, die Frau aber saß daheim und spann, und der Erlös aus ihrer Hände Arbeit reichte nur fürs Essen und Trinken. Eines Tages bat die Frau ihren Mann: „Mach mir doch ein Öchslein aus Stroh, Alter, und verpich es mit Pech.“
„Was du da schwätzest, du dummes Weib! Wozu brauchst du ein solches Öchslein?“
„Mach es nur, ich weiß schon wozu.“ Wohl oder übel musste sich der Mann darein schicken, machte ein Öchslein aus Stroh und verpichte es mit Pech. Dann legten sie sich schlafen.
Am nächsten Morgen nahm die Frau ihre Spindel, trieb das Öchslein auf die Weide, setzte sich auf einen Hügel, drehte die Spindel und sprach: „Weide, Öchslein, weide grünes Gras, ich dreh indes die Spindel. Weide, Öchslein, weide grünes Gras, ich dreh indes die Spindel.“
Sie drehte die Spindel, sie spann den Faden, und schließlich schlummerte sie ein. Da kam ein Bär aus dem dichten Wald, aus dem düsteren Tann, und sprang auf das Öchslein zu. „Was bist du für einer?“ fragte er. „Sag an.“
Antwortete das Öchslein: „Ein Öchslein bin ich armer Wicht, aus Stroh gemacht, mit Pech verpicht.“
„Ei“, sagte da der Bär, „wenn du aus Stroh bist und mit Pech ver­picht, dann gib mir ein wenig von dem Pech, damit ich mir meine zerschundene Hüfte verpichen kann.“
Das Öchslein aber stand still und stumm. Da schnappte der Bär ihm in die Flanke und wollte ein wenig von dem Pech abbeißen. Er biss und biss, doch die Zähne blieben ihm kleben, er konnte sie nicht wieder herausziehen. So zerrte und zauste er das Öchslein und zerrte es Gott weiß wohin.
Als die Frau erwachte, war das Öchslein verschwunden. „O weh, wohin mag wohl mein Öchslein geraten sein? Am Ende ist es gar schon heimgelaufen.“ Weiterlesen

Die List des Burschen

Die List des Burschen

Es war einmal ein Reicher, der tat immer sehr schlau. Auch hatte er eine schöne Tochter. Viele Freier warben um sie. er aber wies alle ab und sagte, nur der be­komme seine Tochter zur Frau, dem es gelinge, ihn dreimal übers Ohr zu hauen. Das hatte jedoch bisher keiner fertigge­bracht.
In der Nachbarschaft lebte ein armer Bursche, der kam eines Tages auf den Hof des Reichen und fragte ihn: „Gilt auch für mich das, was du den anderen versprochen hast, und gibst du mir deine Tochter zur Frau, wenn ich dich dreimal überliste?“
Da lachte der Reiche, dass die Wände wackelten.
„Es gilt! Mein Ehrenwort, du sollst sie haben, wenns dir gelingt, mich dreimal zu betrügen! Bisher hat’s keiner ge­schafft.“
„Vielleicht schaffe ich es?“ meinte der Bursche.
„Mach, dass du fortkommst, Möchte­gern!“ schimpfte der Reiche. „Siehst du denn nicht, dass das Boot schon bereitsteht und ich zum Fischfang hinaus will?“
„Nimm mich mit auf den See“, bat ihn der Bursche, „was ich fange, soll dir ge­hören.“
Da ließ der Reiche den Burschen ins Boot steigen. Der legte sich in die Riemen und lenkte das Boot vor ein Röhricht, wo, wie er wusste, der Grund dermaßen steinig war, dass die Fische ihn mieden. Dort warf er die Angel so geschickt aus, dass sie sich an einem Stein festhakte, und sagte zum Reichen: „Ei der Tausend, ein Fisch hat angebissen, der muss recht groß sein, hilf mir ihn herausziehen!“ Weiterlesen

Amo, der Fischersohn

Amo, der Fischersohn

An einem Gewässer hauste der Fischer Atam mit den Seinigen. Tag um Tag ging er mit dem ersten Hahnenschrei fischen und kehrte erst spät am Abend in die Kate zurück. Nicht jederzeit lachte ihm das Glück, nicht immer zog er einen Fang ans Land.
Einmal, als er das ausgeworfene Netz einholte, sah er einen großen, silbrig schimmernden Fisch darin zappeln. Außer sich vor Freude rief er seinen Sohn Amo herbei, damit der das Netzende halte, bis er ein Fischeisen holte. Amo aber, dem der schöne Fisch leid tat, ließ ihn schwimmen. Als Atam zurückgekehrt das Netz leer sah, verabreichte er zornentbrannt dem Sohn eine Ohrfeige.
Ohne ein Wort zu sprechen, begab, sich Amo nach Hause, legte die feinsten Kleider an und nahm Abschied von der Mutter.
„Vater hat mir Unrecht angetan“, sagte er, „drum ziehe ich fort von euch, um in der Welt mein Glück zu versuchen.“
Ziellos wanderte er von Dorf zu Dorf, die Leute nach Arbeit ausfragend, fand aber nirgends eine. Müde geworden, legte er sich zur Abendstunde an einem Wald­see nieder, um die Nacht über auszuruhen. Am Morgen mit steifen Gliedern er­wacht, sah er einen Jüngling herantreten, der grüßte ihn freundlich und sagte:
„Steh auf, Amo, wir haben den gleichen Weg!“ Weiterlesen