Der Mann und die Schlange

Es war einmal ein Weinbauer, der besaß einen schönen Weinstock. Daneben lag ein Steinhaufen. Darin lebte eine große Schlange. Eines Tages sah der Weinbauer die Schlange und beschloss, ihr Gutes zu tun. Am nächsten Tag nahm er eine Schüssel frischer Milch, trug sie zum Weinstock, stellte sie neben den Steinhaufen und blieb in der Nähe, um zu sehen, was geschehen würde. Die Schlange kam heraus, trank die Milch und ließ in der Schüssel ein Goldstück zu­rück. Dann nahm der Weinbauer die Schüssel mit dem Goldstück und ging heim. Seit dieser Zeit brachte er der Schlange jeden Morgen Milch und bekam viele Jahre lang jedes Mal ein Goldstück.

Eines Tages rief der Weinbauer seinen Sohn und erzählte ihm von der Schlange und davon, dass er sie mit Milch nähre. Der Sohn begann, der Schlange Milch zu bringen, um ein Goldstück dafür zu bekommen. Einmal dachte der Sohn es Weinbauern: »In diesem Steinhaufen müssen viele Goldstücke liegen; ich will die Schlange lieber töten, den Steinhaufen aufgraben und alle Goldstücke nehmen, um nicht die Schlange nähren zu müssen.«

Mit diesen Gedanken brachte er der Schlange die Milch. Er trug eine Rute bei sich, um sie zu töten. Als die Schlange von der Milch trank, holte er fest aus, um sie zu töten, es gelang ihm aber nicht, sondern er schlug ihr nur eine Hand­breit vom Schwanz ab. Erzürnt darüber kam die Schlange aus dem Steinhaufen hervor und biss den Sohn des Weinbau­ern. Durch das Gift todkrank, konnte er nur noch mit gro­ßer Mühe heimgehen. Als ihn der Vater sah, fragte er ihn, was vorgefallen war. Der Sohn erzählte alles, was zwischen ihm und der Schlange geschehen war. Dann starb er. Nach langer Zeit ging der Weinbauer wieder zum Steinhau­fen. Da erschien auch die Schlange. Der Weinbauer sagte zu ihr:
»Lass uns wieder Freunde sein, wie wir es einst waren.«
»Wir können nicht Freunde sein wie vorher«, sagte die Schlange. »Solange du das Grab deines Sohnes siehst und ich meinen abgehackten Schwanz sehe, kann unsere Freundschaft nicht wie früher sein. Denn, was immer du auch tust, bedenke die Folgen.«

Märchen aus Bulgarien