Das Gericht der Vögel

Wütend war die Reiherin – weit konnte man es hören –
auf die Eule, die auf einem Baumstumpf saß indessen!
„Eule, du verruchte, warte nur, ich werd dich lehren!
Hast mir meine Kinderchen erwürgt und aufgefressen!
Jede Nacht umkreist du Bestie stöhnend hier den Weiher,
glühn im Dunkeln deine bösen Augen grell wie Feuer!“ –
„Wer hat dir gesagt, dass ich sie aufgefressen habe?“
rief die Eule. – „Nein, ich schwöre dir, es war der Rabe!“
Plötzlich lief das Birkhuhn, aufgestört durch das Geschrei,
flogen die Möwe und die Eichelhäherin herbei.
Tröstend sprachen sie: „Hör auf, zu weinen und zu fluchen!
Besser wär’s, wenn wir vereint den Übeltäter suchen!“
Und sie sausten los quer durch den Wald – den höchsten Ast
einer Rieseneiche wählten sie sich aus zur Rast.
Ihre flinken Äuglein spähten aus, und bald entdeckt
war der Rabe, der im dichten Laub sich hielt versteckt.
Seitwärts packten Reiherin und Häherin den Tropf.
„Teufel!“ schrie die Möwe, als sie ihn ergriff beim Schopf.
In das Innere des Waldes schleppten sie ihn dann,
wo im Beisein aller Vögel das Gericht begann.
Richter war der Adler, dem der Falk die Feder führte.
Und der Urteilsspruch war hart, wie’s Räubern wohl gebührte:
Alle Vögel sollten aus dem Wald fortan ihn jagen,
vogelfrei sollt er den Namen Vogel nie mehr tragen!

Märchen aus der Ukraine