Der Wolf, der dem Bauern diente

Einst lebte ein Bauer, der war bettelarm und hatte nichts zu essen als Kleiebrot. Eines Tages schickte ihn sein Fronherr in den Wald, Bruchholz zu sammeln. Der Bauer arbeitete bis zum Nachmittag, und als ihn der Hunger plagte, nahm er sein Stück Kleiebrot und wollte schon hineinbeißen. Doch er dachte in seinem Sinn: Nein, ich will es lieber an einen Ast hängen, dort mag es bleiben, bis ich die Arbeit beendet habe. Bevor ich heimfahre, esse ich es dann.

Aber als er die Fuhre voll Bruchholz geladen hatte und sich das Brot holen wollte, sah er, dass es verschwunden war. Traurig, aber nicht zu ändern. So kehrte er hungrig heim. Just zu dieser Zeit rief der heilige Juri, der Beschützer der Tiere, alles Getier zu sich und fragte ein jedes, was es an diesem Tag getrieben hätte. Eines berichtete, es habe beim Bauern ein Schwein gerissen, und ein anderes, dass es ein Kalb gefressen. Ein jedes stand Rede und Antwort. Schließlich trat der Wolf herzu und sprach: „Ich, heiliger Juri, habe einem Bauern das Kleiebrot weggefressen, das er an einen Ast gehängt hatte.“ „Wie konntest du den armen Bauern nur so kränken! Er hatte nichts als das Stück Kleiebrot, und das hast du ihm weggefressen! Sehr schlecht ist es, einen Armen zu kränken. Zur Strafe dafür wirst du dich bei dem Bauern verdingen und ihm drei Jahre lang dienen!“ Also machte sich der Wolf auf, um seine Schuld abzudienen. Er verwandelte sich in einen jungen Burschen, ging zu dem Bauern und bat: „Oheim, nehmt mich als Knecht an. Ihr braucht mir keinen Lohn zu zahlen, fürs tägliche Brot allein will ich Euch dienen.“

„Aber, mein Sohn, wir können keine Arbeit vergeben, haben selber nichts zu essen.“

„Dann will ich ohne Lohn bei Euch bleiben und auch für mein täglich Brot selber sorgen.“

Da sagte des Bauern Weib: „Viel wird er kaum schaffen, lieber Mann, aber sein täglich Brot wird er schon verdienen. Wir sollten ihn nehmen.“

Also nahmen sie den Burschen in ihren Dienst. Am nächsten Tage fand er irgendwo drei Nägel, erhitzte sie im Ofen, lieh sich von seinem Herrn einen Hammer – was so ein Herr schon für einen Hammer besitzen mochte! -, und geschickt schmiedete er aus den rotglühenden Nägeln drei Messer.

„Nehmt sie, Hausfrau, und tragt sie auf den Markt! Verkauft sie, ohne zu handeln, vielleicht könnt ihr von dem Erlös ein Brot erstehen. Und mir kauft ein Stück Eisen, ich will mich noch ein wenig im Schmieden versuchen.“

Des Bauern Weib trug die Messer auf den Markt und hatte sie auch bald verkauft, ohne zu handeln. Von dem Erlös erstand sie ein Brot, auch ein Stück Eisen, aus dem der Bursche nun schon etliche Messer schmiedete. Die verkaufte sie wiederum, erstand für den Erlös ein größeres Stück Eisen, und daraus schmiedete der Bursche einen Pflug, den sie ebenfalls verkaufte. Ohne Mühe und Arbeit zu scheuen, baute er sich nun eine Schmiede, verschaffte sich das erforderliche Werkzeug und schmiedete Pflüge, Pflugmesser und ähnliches. Der Wohlstand des Bauern wuchs, er fuhr auf die Märkte und verkaufte, was sein Knecht hergestellt hatte.

„Hab ich dir nicht geraten, lieber Mann, den Burschen zu nehmen? Du wolltest damals nicht, nun aber siehst du mit eigenen Augen, welch gute Dienste er uns leistet. Dank seiner Hilfe können wir ein sorglos Leben führen.“

Nach und nach unterwies der Knecht seinen Herrn in der Kunst des Schmiedens. Fortan schmiedete nun der Bauer ebenfalls Pflüge, und sie erwarben mehr Geld, als sie je besessen.

Eines Tages betrachtete der Bursche den alten Hofhund seines Herrn, der schon nicht mehr bellen konnte, und sprach: „Oheim, wenn Ihr einverstanden seid, mache ich aus Rjabko einen jungen Hund.“

„Tu’s nur“, erwiderte der Bauer achselzuckend und sah den Burschen misstrauisch an: Wollte ihn der etwa zum Besten haben?

Der Bursche aber nahm den Hund beim Schwanz und zog ihn in die Schmiede. Dort glühte er ihn in der Feueresse, legte ihn dann auf den Amboss und schlug einmal zu. Da ward der Hund jung und hübsch, lief über den Hof und bellte vor Lebenslust. Der Bursche ging zu seinem Herrn und fragte: „Nun, Oheim, sieht der Eurem alten wohl ähnlich?“

Der Bauer sah sich den Hund genauer an, und als er erkannte, dass es sein junger Rjabko war, wunderte er sich gar sehr. Nun nahm sich der Bursche auch des Bauern Mutter vor, ein steinaltes Weiblein. Er machte sie in der Esse glühend, schmiedete sie, glühte und schmiedete sie ein zweites Mal, und da war sie plötzlich ein junges Mädel von achtzehn Jahren. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Neuigkeit, und in alle Welt drang die Kunde von dem Mann, der sich darauf verstünde, alte Leute jung zu schmieden.

Aus aller Welt brachte man nun alte Männer und alte Weiber zu ihm. Der König brachte seine alte Königin, auf dass er sie verjünge, ein Pan brachte seine Mutter, ein anderer seinen Vater, alle kamen, ein jeder wollte verjüngt werden.

Der Bursche schmiedete alle um, erfüllte eines jeden Wunsch. Seinen Herrn aber lehrte er nicht diese Kunst, sein Herr verstand sich nur aufs Schmieden. Aber auch das allein trug ihm viel Geld ein, und er war schon längst nicht mehr ein armer Mann.

Nachdem nun vollends drei Jahre vergangen waren und der Bursche seine Zeit abgedient hatte, kündigte er den Dienst. Der Bauer wollte ihn nicht fortlassen und bat ihn zu bleiben. „Nein“, antwortete der Bursche, „hier ist meines Bleibens nicht länger, ich muss Euch nun verlassen. Wenn ich dann fort bin, Oheim, und die Leute zu Euch kommen und Euch bitten, Alte in Junge zu verwandeln, dann seid auf der Hut, denn von dieser Kunst versteht Ihr nichts.“ Und ging davon.

Nun kam aber eines Tages zu unserem Bauern ein Pan und brachte seinen Vater mit, den wollte er zum Jüngling schmieden lassen. Der Bauer schwor Stein und Bein, von dieser Kunst verstünde er nichts. Wie aber war’s zu jener Zeit? Wollt dem Herrn ein Bauer nicht gehorchen, verlor er seinen Kopf.

Der Pan indessen blieb unerbittlich und befahl: „Schmiede mir einen jungen Vater.“

So musste denn der Bauer gehorchen. Er nahm den Vater, trug ihn in die Schmiede, warf ihn ins Feuer, und der Alte verbrannte zu Asche. Da war es um den Bauern geschehen: Er ward verklagt, vor Gericht gestellt und zum Erhängen verurteilt. Auf dem Marktplatz rüstete man einen Galgen und hängte ihn daran auf. Als nun der Bauer verschieden war und die Schaulustigen sich verlaufen hatten, kam jener Bursche zum Galgen und sprach: „Ich hab Euch doch geraten, Oheim, kein Handwerk zu betreiben, von dem Ihr nichts versteht!“

Ging hin, knüpfte den Bauern ab, schickte ihn zurück in die Schmiede und hängte statt seiner einen Strohsack auf. Als die Leute am nächsten Tag kamen, um den Bauern abzunehmen, hing statt seiner ein Strohsack am Galgen. Sie liefen zur Schmiede, und siehe, da stand der Bauer am Amboss. Sie hängten ihn ein zweites Mal an den Galgen, und wiederum kam der Bursche, knüpfte ihn ab, schickte ihn zurück in die Schmiede und hängte statt seiner einen Holzklotz auf. Als die Leute kamen, um den Bauern abzunehmen, und den Holzklotz erblickten, liefen sie erneut zur Schmiede – der Bauer stand am Amboss. Da packten sie ihn, schleppten ihn zum Galgen und erhängten ihn ein drittes Mal. Der Bursche aber kam, knüpfte ihn ab, entließ ihn nach Hause und sprach: „Gebt acht! Sobald jemand die Tür zur Schmiede öffnet, nehmt das, was Ihr just in der Hand haltet, und werft es ihm mitten ins Gesicht! Es wird Euch nichts geschehen, und keiner wird es fürder wagen, Euch ein Haar zu krümmen.“

Der Bauer ging nach Hause, und seither hat niemand ihm mehr ein Haar gekrümmt. Ich hab ihn gesehn – gestern hat er mir die Kalesche gerichtet.

Märchen aus der Ukraine