Die Frau eines Schusters hatte zwei Tauben gebraten, eine für sich und eine für ihren Mann. Sie waren wunderbar goldgelb geraten. Da sie noch draußen zu tun hatte, stellte sie die Tauben auf den Backofen und ging hinaus.
Der Schuster nähte inzwischen. Ab und zu hob er die Nase und sog den lieblichen Duft in sich ein, der die ganze Stube erfüllte. Schließlich kitzelte ihn der Duft so stark in der Nase, dass ihn seine Naschhaftigkeit nicht länger auf seinem Schemel aushalten ließ. Kaum war die Frau zur Tür hinaus, sprang er von seinem Schemel auf und stand auch schon an der Pfanne. Bevor er jedoch nach einem Täubchen griff, lauschte er gespannt, ob seine Frau nicht noch im Flur sei, und zwar deshalb, weil er vor ihr Angst hatte. Das bestritt er zwar, aber es war so und nicht anders. Draußen war alles still, und der Schuster zog eine Taube aus der Röhre und aß sie auf. Ein Hungriger wird nur satt, wenn er isst, sagt ein altes Sprichwort. Der Schuster war naschhaft und hungrig, deshalb hatte er an einem Täubchen auch nicht genug; ohne lange zu überlegen, griff er nach dem zweiten und aß auch dieses ohne jegliche Gewissensbisse auf. Dann setzte er sich wieder auf seinen Dreifuß und nähte eifrig.
Die Frau kam in die Küche zurück, und weil gerade Mittag war, stellte sie die Teller auf den Tisch und trug die Suppe auf. Alles ging gut, doch als sie den Braten bringen wollte, brach aus heiterem Himmel ein Gewitter los. „Wer hat die Täubchen gegessen?“ lautete der erste Donnerschlag. Weiterlesen