Es war einmal ein Reicher, der tat immer sehr schlau. Auch hatte er eine schöne Tochter. Viele Freier warben um sie. er aber wies alle ab und sagte, nur der bekomme seine Tochter zur Frau, dem es gelinge, ihn dreimal übers Ohr zu hauen. Das hatte jedoch bisher keiner fertiggebracht.
In der Nachbarschaft lebte ein armer Bursche, der kam eines Tages auf den Hof des Reichen und fragte ihn: „Gilt auch für mich das, was du den anderen versprochen hast, und gibst du mir deine Tochter zur Frau, wenn ich dich dreimal überliste?“
Da lachte der Reiche, dass die Wände wackelten.
„Es gilt! Mein Ehrenwort, du sollst sie haben, wenn’s dir gelingt, mich dreimal zu betrügen! Bisher hat’s keiner geschafft.“
„Vielleicht schaffe ich es?“ meinte der Bursche.
„Mach, dass du fortkommst, Möchtegern!“ schimpfte der Reiche. „Siehst du denn nicht, dass das Boot schon bereitsteht und ich zum Fischfang hinaus will?“
„Nimm mich mit auf den See“, bat ihn der Bursche, „was ich fange, soll dir gehören.“
Da ließ der Reiche den Burschen ins Boot steigen. Der legte sich in die Riemen und lenkte das Boot vor ein Röhricht, wo, wie er wusste, der Grund dermaßen steinig war, dass die Fische ihn mieden. Dort warf er die Angel so geschickt aus, dass sie sich an einem Stein festhakte, und sagte zum Reichen: „Ei der Tausend, ein Fisch hat angebissen, der muss recht groß sein, hilf mir ihn herausziehen!“
„Vergiss nicht, der Fang ist mein!“ rief der Reiche und half dem Burschen, an der Schnur zu zerren. Vergebens, sie gab nicht nach.
„Halte die Angel!“ sagte der Bursche. „Ich will ans Ufer und eine Tasse Tee trinken, die soll mir neue Kräfte verleihen.“
Der Reiche blieb allein, hielt die Angelrute mit beiden Händen und wartete auf den Burschen. Der kaufte sich einen geräucherten Fisch und eine Pfefferschote auf dem Markt, verwahrte den Kauf unterm Hemd und kehrte ins Boot zurück. Nun gingen beide wieder ans Ziehen. Sie zupften und zerrten aus Leibeskräften, die Schnur aber gab keinen Fingerbreit nach.
„Das führt zu nichts“, sagte schließlich der Bursche, „ich springe am besten hinunter und hole den Fisch herauf.“
Er warf sich ins Wasser, tauchte und schwamm mitten ins Röhricht hinein. Dort blieb er eine Weile, kehrte darauf unter Wasser zurück und tauchte vor dem Boot auf.
„Da kann einem ja die Zeit lang werden!“ schalt der Reiche. „Her mit dem Fang!“
„Zürne mir nicht“, erwiderte der Bursche, „ich wurde drunten zur Tafel des Wasserkönigs geladen, der feiert nämlich heute seinen tausendsten Geburtstag. Zum Abschied überreichte er mir ein Säcklein Perlen und diesen geräucherten Fisch hier.“
„Wo sind denn die Perlen?“ rief der Reiche, der seine Gier nicht bezwingen konnte.
„Ach“, antwortete der Bursche kleinlaut, „die Perlen ließ ich unten, ich brauchte ja beide Hände, den Fisch an die Oberfläche zu bringen!“
„Dummkopf!“ schrie der Reiche. „Wer zieht schon einen Fisch einem Säckchen Perlen vor!“
„Macht nichts“, meinte der Bursche, „sagte ich doch dem Herrscher der Tiefe, du würdest die Perlen abholen.“
Da überlegte der Reiche nicht lange, sprang kopfüber ins Wasser, stieß sich aber am Gestein und kam sofort wieder hervor. Der Bursche holte ihn ins Boot und legte ihm die Pfefferschote auf die wunde Stelle. Es sei dies die beste Arznei, die er wisse. Der Reiche heulte vor Schmerz auf und schrie so laut, dass die Leute am Ufer zusammenliefen.
„Nun ist’s wohl so weit, dass du mir deine Tochter zur Frau gibst“, sprach der Bursche. „Kannst ja selbst nachzählen, ob ich dich dreimal übers Ohr gehauen habe!“
Der Reiche ärgerte sich gelb und grün, musste aber sein Wort einlösen.
Vietnamesisches Märchen