Die Kröte

Die Kröte

Ein reicher Bauer hatte einst einen großen prächtigen Hof und zwei Söhne. Als er alt geworden war, wollte er einem der Söhne seinen Hof übergeben. Er ließ deshalb beide zu sich kommen und sprach: „Derjenige von euch, der von seiner Braut den schönsten Ring bringt, soll den Hof haben.“
Der ältere der beiden, der eine Braut hatte, war froh und lief vergnügt zum Tor hinaus. Der jüngere aber war traurig, denn er hatte keine Braut, und lief weinend hinter die Scheune in den Garten. Da kroch aus einer Höhle eine dicke, häßliche Kröte hervor und fragte: „Warum weinst du, mein Söhnchen?“
„Wie sollte ich nicht weinen“, erwiderte der Bursche, „mein Vater hat einen großen, prächtigen Hof, und derjenige von uns Brüdern soll ihn erhalten, der von seiner Braut den schönsten Ring bringt.“
„Weine nicht“, sagte die Kröte, „und komm mit mir.“
Er ging ihr nach in die Höhle. Sie kamen in eine schöne Stube, und die Kröte brachte ihm einen Ring, der glänzte so, daß es in der ganzen Stube hell wurde. Er nahm den Ring und trug ihn heim.
Dort sagte der Vater: „Ältester, zeig, was du mitgebracht hast!“ Und der wickelte aus einem Stück Papier einen verrosteten Ring.
Darauf der Vater: „Jüngster, und du?“ Als der seinen Ring hervorholte, erglänzte die ganze Stube.
Aber der Vater war noch nicht zufrieden, sondern forderte: „Wer von seiner Braut das schönste seidene Tüchlein bringt, der bekommt den Hof!“
Der ältere lief jubelnd zum Tor hinaus, der jüngere Bruder aber weinte hinter der Scheune im Garten. Und wieder kam die dicke Kröte hervorgekrochen und fragte: „Warum weinst du, mein Söhnchen?“
„Wie sollte ich nicht weinen“, erwiderte der Bursche, „mein Vater hat einen großen, prächtigen Hof, und derjenige von uns Brüdern soll ihn bekommen, der von seiner Braut das schönste seidene Tüchlein heimbringt.“
„Weine nicht“, sagte die Kröte, „und komm mit mir.“
Sie führte ihn wieder in die Höhle. Dort gab sie ihm ein glänzendes seidenes Tüchlein. Der Bursche nahm es und trug es heim.
Dort sagte der Vater: „Ältester, zeig, was du hast!“ Der zeigte es, es war ein schmutziger Lappen.
Und der Vater fragte: „Jüngster, und du?“ Der zog ein glänzendes seidenes Tüchlein hervor. Doch auch das genügte dem Vater noch nicht. Er sagte: „Wer die schönste Braut heimbringt, soll den Hof haben!“
Der ältere lief vergnügt zum Tor hinaus, der jüngere aber wieder weinend hinter die Scheune in den Garten. Und abermals kam die dicke Kröte hervorgekrochen und fragte: „Warum weinst du, mein Söhnchen?“
„Wie sollte ich nicht weinen“, erwiderte der Bursche, „mein Vater hat einen großen, prächtigen Hof, und derjenige von uns Brüdern soll ihn bekommen, der die schönste Braut heimbringt.“
„Weine nicht“, sagte die Kröte, „und komm mit mir.“
Er ging ihr wieder nach in die Höhle. Dort saß ein wunderschönes Mädchen. Die Kröte kleidete es an. Zuerst gab sie dem Mädchen ein kostbares seidenes Kleid, darüber aber zog sie ein einfaches Wochentagskleid.
Auch der ältere Bruder brachte seine Braut. Sie trug ein prächtiges Kleid. Und der Vater sagte: „Ältester, tanze mit deiner Braut!“
Als sie sich drehten, flog das prächtige Kleid davon, die Braut stand da in einem schmutzigen Unterkleid.
Darauf sagte der Vater zum jüngeren Sohne: „Nun tanze auch du mit deiner Braut!“
Als sie sich drehten, flog das einfache Wochentagskleid davon, das Mädchen stand vor ihnen in einem kostbaren seidenen Kleid. Der Vater wunderte sich und sagte zum jüngeren Sohn:
„Du bekommst den Hof!“
Der Ältere wurde zornig auf seinen jüngeren Bruder und rief: „Das Los soll entscheiden!“
Der Vater war jedoch nicht einverstanden, sondern sagte:
„Das ist nicht mehr nötig, der Jüngere bekommt den Hof!“

Sorbisches Märchen

Vom Wolf und vom Hund

Der Wolf traf den Hund und sprach zu ihm: „Weißt du was? Gib mir deine Spürnase, und ich gebe dir meine Schnelligkeit.“
Der Hund sagte: „Gut, gib mir deine Schnelligkeit, und ich gebe dir meine Spürnase.“
So gab der Wolf dem Hund seine Schnelligkeit, und als sie der Hund hatte, nahm er die Beine unter die Arme und lief dem Wolf davon. Und deshalb hat der Wolf keine Spürnase.

Märchen aus Serbien

Peppe und der weiße Esel

Peppe und der weiße Esel

Einst lebte eine arme Waschfrau, die hatte einen einzigen Sohn. Er hieß Peppe, und alle Leute hielten ihn für dumm.
Es war im Karneval, in allen Häusern wurde gekocht und gebraten, Makkaroni und Wurst. Nur die arme Waschfrau hatte nichts zu essen als trockenes Brot. Da sprach Peppe: „Mutter, überall isst man heute so gute Sachen, wir allein haben trocken Brot auf dem Tisch. Gebt mir Euer Huhn. Ich will es verkaufen und dafür Makkaroni und Wurst bringen.“
„Was bist du einfältig! Soll ich mein letztes Huhn hergeben“, rief da die Frau, „damit ich nachher keins mehr habe?“
Peppe aber bat so lange, bis die Mutter ihm endlich das Huhn überließ.
Er ging auf den Markt und bot es zum Verkauf an. Da kam ein Mann und fragte ihn: „Was soll das Huhn kosten?“ „Drei Taler.“
„Ist es auch recht fett?“ wollte der Mann wissen und nahm das Huhn in die Hand. Ehe sich Peppe aber dessen versah, war der Mann mitsamt dem Huhn verschwunden. Denkt euch nun den armen Peppe, wie er jammerte: „Ach, meine Mutter wird mich schelten, was soll ich tun?“ Weiterlesen

Kullerkorn

Es war einmal ein Mann, der hatte sechs Söhne und eine Tochter. Eines Tages wollten die Söhne pflügen gehen und baten die Schwester, sie solle ihnen das Mittagessen bringen. Sie aber fragte: „Wie soll ich euch finden? Ich weiß doch nicht, wo ihr seid.“
Sie antworteten: „Wir ziehen eine Furche von unserem Haus bis zum Feld, auf dem wir pflügen. Geh nur immer der Furche nach!“
Im Wald aber, in der Nähe des Feldes, lebte ein Drache, der schüttete die Furche zu und zog eine neue, die bis zu seinem Gehöft führte. Als das Mädchen nun mit dem Essen kam, folgte es der neuen Furche und gelangte nicht zu ihren Brüdern, sondern auf das Gehöft und somit in die Gewalt des Drachen.
Die Söhne aber kamen abends heim und sprachen zur Mutter: „Wir haben den ganzen Tag gepflügt, und du hast uns kein Essen geschickt.“
„Aber Aljonka hat es euch doch gebracht! Ich dachte, sie käme mit euch zurück. Sie wird sich doch nicht etwa verirrt haben?“
Da sagten die Brüder: „Wir müssen sie suchen gehen!“
Sie gingen alle sechs der Furche nach und kamen zum Palast des Drachen. Sie gingen hinein, blickten sich um – und siehe, da saß ihre Schwester.
„Ach, liebe Brüder, wo versteck ich euch nur, wenn der Drache kommt? Er frisst euch doch alle auf!“
Da flog der Drache auch schon heran. „Puh“, fauchte er, „ich rieche Menschenfleisch! Na, ihr Bürschchen, wollt ihr euch schlagen, oder wollt ihr euch fügen?“
„Nein“, riefen sie mutig, „wir wollen uns schlagen!“
„So kommt auf die eherne Tenne.“
Sie gingen auf die eherne Tenne, doch nicht lange währte der Kampf. Mit einem Schlag streckte sie der Drache zu Boden, so dass sie kaum noch atmeten. Darauf nahm der Drache die sechs Brüder und warf sie in ein tiefes Verlies.
Die Mutter und der Vater warteten auf die Söhne, doch die kamen nicht zurück.
Eines Tages ging die Frau zum Wäschespülen an den Fluss. Da kullerte ihr ein kleines Korn über den Weg. Sie las es auf, besah es sich und aß es auf.
Nach einer gewissen Zeit gebar sie einen Sohn, den nannte sie Kullerkorn. Er wuchs und wuchs und wurde ungewöhnlich groß für seine Jahre. Weiterlesen

Die einzige Rettung

Ein Landgendarm wollte einen zugefrorenen Fluss überqueren und brach dabei im Eis ein.
Die Leute strömten herzu, und etliche holten Bootshaken. Da kam ein Bauer des Wegs.
„Wozu die Aufregung?“ fragte er.
„Der Landgendarm ertrinkt!“
„Zeigt ihm einen Rubel, dann springt er heraus.“

Ukrainisches Märchen