Hundert Wölfe

Hundert Wölfe

Erzählte doch da ein junger Bursche: „Als ich gestern Abend durch den Wald ging, hab ich eine Heidenangst ausgestanden! Bin grad noch mit heiler Haut davongekommen.“
„Und warum?“ fragten seine Freunde.
„Hundert Wölfe haben mich verfolgt.“
„Ei der Daus!“
„Ihr glaubt’s wohl nicht? Na, wenn’s nicht hundert gewesen sind, aber fünfzig waren es ganz gewiss.“
„Im ganzen Wald gibt’s doch nicht so viele.“
„Ihr zweifelt wohl? Mindestens ein Dutzend hat mich verfolgt, ich sag’s doch!“
„Schwindle nicht!“
„Das ist nicht geschwindelt. Ein Wolf war mir auf den Fersen, ich sag’s doch!“
„Und wo hast du ihn gesehen?“
„Bei Gott, ich hörte deutlich ein Rascheln im Gebüsch.“

Märchen aus der Ukraine

Über die Dummheit

Über die Dummheit

Es war einmal ein Bauer, der hatte eine dumme Frau. Eines Tages schickte er sie in die Stadt zum Markt, um Gänse zu verkaufen. Auf dem Markt angelangt, wusste die Frau aber nicht, wieviel Geld sie für die Gänse verlangen könnte. Sie hielt einen Bauern an, zu dem sagte sie: „Guter Mann, bleibt ein Weilchen hier stehen und passt auf meine Gänse auf! Ich will mich inzwischen erkundigen, wieviel ich dafür verlangen kann. Aber“, fuhr sie fort, „damit ich Euch wiedererkenne, wenn ich zurückkomme, nehmt hier meine schafslederne Jacke und haltet sie in der Hand.“
Sie gab ihm die schafslederne Jacke, überließ ihm die Gänse und ging weg. Als sie zurückkam, war der Bauer samt den Gänsen und der schafsledernen Jacke verschwunden. Da ging sie heim und erzählte ihrem Mann, was ihr widerfahren.
Bitterböse wurde der Mann und sagte: „Weil du so dumm bist, verlasse ich dich jetzt und ziehe in die weite Welt! Sollte ich irgendwo ein Weib finden, das so dumm ist wie du, so kehr ich zu dir zurück, wenn nicht, dann leb wohl!“ Weiterlesen

Die Ratschläge des Königs Salomo

Die Ratschläge des Königs Salomo

Da war ein Mann, den nannten sie Toniello. Er kannte keinen anderen Besitz als seine Frau, einen Sohn, den er ernähren musste, seine eigenen neun Spannen für das Grab und seine Arme, die Arbeit verrichteten, so man ihnen welche gab. Und obschon er alles Mögliche anfing und sich sputete, bekam er nur so viel, dass er gerade noch, aber gerade noch zu essen hatte. Schließlich wurde er es müde, immer Fasttag zu haben und die Haut seines Bauches auf den Rücken zu binden, wenn er ausging, und er kam mit seiner Frau zu dem Entschluss, zum König zu gehen und zu schauen, ob er ihn nicht als Diener nähme; denn auf diese Weise konnte man sich etwas zusammensparen, und sie würden im Alter einen Notgroschen haben. Die Frau sollte indessen sehen, wie sie ohne ihn zurechtkäme, oder von der Luft leben.
Er ging zum König, das war damals der Salomo, und der nahm ihn als Diener. Er leistete ihm recht gute Dienste, denn er war sehr anstellig und fröhlich, und jedermann fand Gefallen an ihm. Nachdem fünf Jahre vergangen waren, bekam er Sehnsucht nach seiner Frau und seinem Sohn und seinem Zuhause. Und so trat er eines Tages vor den König Salomo und sagte zu ihm: »Herr König, wenn Eure Königliche Majestät es mir nicht übel nehmen, so würde ich nun gern wieder nach Hause gehen, sind es doch nun fünf Jahre, dass ich nicht mehr dort gewesen bin und meine Frau nicht mehr gesehen habe und das Söhnchen, das ich zurückließ.«
»Ich finde, du hast ganz recht«, sagte der König, »wenn es mir auch gar nicht passt, einen anderen Diener anstellen zu müssen, denn neue Gesichter behagen mir nicht sehr. Macht nichts! Geh zum Haushofmeister, rechne mit ihm ab, und er wird dich bezahlen.«
Sie rechneten ab, und der Sold für fünf Jahre belief sich auf dreitausend Pfund, die der Diener sich in Münzen auszahlen ließ. Nachdem sie der Mann in die Tasche gesteckt hatte, dachte er ein Weilchen nach und sagte zu sich: >Nun soll ich von dem König Salomo fortgehen, ohne ihn um einen Rat gefragt zu haben, wo sie doch aus aller Welt hierher kommen, um ihn darum zu bitten, da er so weise ist. Ich werde auch hingehen.<
Gesagt getan; er ging zu ihm und sprach: »Herr König, ich wollte nur sehen, ob Eure Majestät mir auch einen Rat gibt, so wie all den anderen.«
»Kommt auf die Bezahlung an.«
»Und was soll er kosten?«
 »Tausend Pfund.« Weiterlesen

Die mildtätige Gutsherrin

Die mildtätige Gutsherrin

Es war einmal eine Gutsherrin, das war aber eine, ei, ei, ei! Nun, ihr werdet ja sehn, was für eine es war!
Kam da eines Tages ein alter Mann zu ihr und bat um ein Almosen. Trat an die Tür, murmelte ein Gebet und sprach: „Spendet eine milde Gabe, um Christi willen! Erbarmt Euch eines armen Bettlers zur Rettung Eurer Seele, mildtätige Herrin!“
Das hörte die Gutsherrin und dachte bei sich: Warum sollt ich nicht? Hier dieses kleine Ei will ich ihm geben. Wozu auch knausern? Zur Rettung meiner Seele geschieht es doch! Rief ihn also ins Haus und gab ihm ein winziges Ei.
„Da hast du ein Ei, Großvater“, sagte sie, „laß es dir schmecken, Alter, und bete für mich zu Gott.“
Der alte Mann nahm das Ei und verneigte sich. „Ich danke Euch, Herrin! Möge Euch der Herrgott Eure Güte lohnen!“
Und ging davon. Weiterlesen

Dieser Kerl

Dieser Kerl

Wie ich eines Tages die Straße entlangging, sah ich diesen Kerl mir entgegenkommen, und weißte, ich hätte schwören können, er war’s und, weißte, er hätte schwören können, ich war’s.
Wir kamen einander näher, und ich war ganz sicher, er war’s, und er war ganz sicher, ich war’s.
Wir kamen noch näher, und ich war verdammt sicher, er war’s, und er war verdammt sicher, ich war’s.
Wie wir nur ein paar Meter voneinander waren, war ich vollkommen überzeugt, er war’s, und er war vollkommen überzeugt, ich war’s.
Und weißte was, wie wir nebeneinander sind, da war’s keiner von uns!

Märchen aus England

Der Mensch, der Ochse, der Hund und der Affe

Der Mensch, der Ochse, der Hund und der Affe

Als Gott die Welt erschaffen hatte, kam der Mensch zu ihm und sagte: »Du hast mich als Mensch erschaffen; sage mir auch, wie lange ich lebe, wie ich leben, wovon ich mich nähren und was ich arbeiten soll.«
Gott sprach zu ihm: »Dreißig Jahre sollst du leben. Nähren sollst du dich von allem, was deine Gesundheit nicht zerstört, und deine Arbeit wird es sein, alles zu beherrschen, was es auf der Erde gibt.«
Der Mensch sagte: »Gott, ich danke dir für das gute Leben, das du mir schenkst, aber die Jahre sind mir zu wenig.«
Gott sprach: »Geh‘ und setze dich dort in die Ecke.«
Da kam der Ochse und fragte Gott: »Gott, du hast mich als Ochse auf der Welt geschaffen. Sage mir auch, wie lange ich leben, wie ich leben, was ich arbeiten und wovon ich mich nähren soll?«
Gott sprach zu ihm: »Siehst du den Menschen, der dort in der Ecke sitzt? Er wird dein Herr sein. Deine Arbeit wird es sein, den Acker zu pflügen und die Fuhren zu ziehen. Nahrung sollen dir Gras und Stroh sein, und dreißig Jahre sollst du leben.«
Der Ochse sagte zu ihm: »Oh, Gott, welch ein Ochsenleben! Nimm ein wenig von meinen Jahren.«
Als der Mensch in der Ecke das hörte, gab er Gott ein Zeichen und flüsterte: »Nimm von seinen Jahren und gib sie mir!«
Da lachte Gott und sprach: »Nimm die zwanzig von dem Ochsen!«
Er gab ihm zwanzig Jahre Ochsenleben. Weiterlesen